Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums zur Verbesserung des Anlegerschutzes für Kleinanleger von RA Daniel Blazek
ehr geehrter Herr Bremer,
der Referentenentwurf der Bundesregierung (Bearbeitungsstand 28. Juli 2014) ist meiner Ansicht nach im Großen und Ganzen begrüßenswert. Nur an recht wenigen Stellen erscheint er noch nicht ganz praxistauglich. Es wirkt, als solle dieses Gesetz schnell durchgebracht werden vor dem Hintergrund jüngerer Skandale (wie Prokon, INFINUS/Future Business, S&K) und dem bemerkenswerten Anstieg von bislang nicht als Vermögensanlagen erfassten Nischenprodukte, die im Entwurf als „Umgehungsstrukturen“ bezeichnet werden. Motivation und Begründungen des Gesetzgebers sind – wie bei der Regulierung des Kapitalmarkts seit Jahren üblich – allgemein gehalten und abstrakt. Die geplanten wesentlichen Neuerungen sind:
- Neue Vermögensanlagen, Laufzeit
Partiarische Darlehen und Nachrangdarlehen sollen nun ebenfalls Vermögensanlagen werden, vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VermAnlG-E. Dasselbe gilt für sonstige Anlagen, die einen Anspruch auf Verzinsung und Rückzahlung gewähren oder im Austausch für die zeitweise Überlassung von Geld einen vermögenswerten auf Barausgleich gerichteten Anspruch vermitteln, sofern sie nicht ein Einlagengeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG darstellen, vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 7 VermAnlG-E. Emittenten und Finanzdienstleister müssen künftig also noch mehr Produkte daraufhin überprüfen (lassen), ob sie dem WpHG unterfallen, ob es sich um Investmentvermögen nach dem KAGB handelt, ob das VermAnlG Anwendung findet oder gar das KWG.
Dies war absehbar. Bereits in den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD zur 18. Legislaturperiode vom November 2013 wurde in Kapitel 1.5, S. 62 f. aufgenommen, dass „kein Finanzmarktakteur, kein Finanzprodukt und kein Markt in Zukunft ohne angemessene Regulierung bleiben“ dürfe. Im Maßnahmenpaket zur Verbesserung des Schutzes von Kleinanlegern des Bundesjustizministeriums und des Bundesfinanzministeriums aus Mai 2014 wurde sodann die Einordnung der partiarischen Darlehen und Nachrangdarlehen in den Katalog der Vermögensanlagen avisiert.
Für die neuen Vermögensanlagen bzw. deren Vermittlung oder Beratung sind bei entsprechender Umsetzung des Entwurfs dann § 34f GewO und die FinVermV einschlägig, womit auch eine gesetzliche Haftpflicht bestünde. Zum anderen wären die neuen Vermögensanlagen künftig zu prospektieren und der Verkaufsprospekt von der BaFin zu gestatten, bevor das öffentliche Angebot beginnen darf.
§ 5a VermAnlG-E soll zudem künftig bestimmen, dass Vermögensanlagen eine Laufzeit von mindestens 24 Monaten ab dem Zeitpunkt des Erwerbs haben müssen. Das müssen Emittenten insbesondere insoweit bedenken, wie der Erwerb oder die Ausplatzierung über einen längeren Zeitraum, ggf. sogar über mehrere Jahre läuft.
Ferner soll laut derselben Vorschrift künftig eine Kündigung von Vermögensanlagen nur mit einer Frist von mindestens zwölf Monaten zulässig sein. Bei Vermögensanlagen nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VermAnlG (Unternehmensbeteiligungen und Treuhandvermögen) soll eine Kündigung nur zum Schluss eines Geschäftsjahres zulässig, sofern der Gesellschaftsvertrag
oder die Anlagebedingungen nichts Abweichendes vorsehen.
- Nicht (mehr) zugelassene Vermögensanlagen
Der neu geplante § 5b VermAnlG-E legt fest, dass Vermögensanlagen, die eine über den Anlagebetrag hinausgehende Haftung des Anlegers für Verluste vorsehen (Nachschusspflicht), zum öffentlichen Angebot oder Vertrieb im Inland nicht zugelassen sind. Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass Erwerber von Vermögensanlagen in der Regel keinen Einfluss auf die Geschäftsführung haben und daher Entscheidungen, die zu einer solchen Nachschusspflicht führen können regelmäßig nicht beeinflussen können.
Dies scheint auf den ersten Blick hinsichtlich derjenigen Vermögensanlagen nicht ganz ausgeklügelt, die eine unternehmerische Beteiligung darstellen, ohne Investmentvermögen zu sein. Solche sind in aller Regel gesellschaftsrechtlicher Natur, wie zum Beispiel eine GbR-Beteiligung, eine (auch) mittelbare Kommanditbeteiligung oder eine atypisch stille Beteiligung. Eine Verlustbeteiligung ist vom Grundsatz her bei einer echten Unternehmensbeteiligung wesentlich, wenngleich sie bei der GbR-Beteiligung im Außenverhältnis beschränkt sein kann, wie auch bei einer Kommanditbeteiligung. Nachschüsse wiederum können sich auch aus Sozialansprüchen ergeben, ebenso können sie auf Ebene der Gesellschaft beschlossen werden (bei einer KG indes laut Rechtsprechung des BGH wohl nur, wenn der Gesellschaftsvertrag dies bereits vorsieht). Bei einer mittelbaren Kommanditbeteiligung haftet nach außen nur der Treuhänder wirklich, hat aber gegenüber den Treugebern einen entsprechenden Freistellungsanspruch. Eine stille Gesellschaft ist demgegenüber eine reine Innengesellschaft. Hier könnte noch einmal überprüft werden, was genau mit „Nachschusspflicht“ gemeint ist und ob tatsächlich alle Unternehmensbeteiligungen dabei über einen Kamm geschoren werden sollen.
- Änderungen in der Prospektierung, Gültigkeitsdauer, Veröffentlichungspflichten
Nach dem neu geplanten § 7 Abs. 3 S. 1 Nr. 2a VermAnlG-E müssen Verkaufsprospekte künftig Angaben zur Anlegergruppe beinhalten, auf die die Vermögensanlage abzielt, vor allem im Hinblick auf den Anlagehorizont und zu möglichen Verlusten.
Darüber hinaus soll die BaFin bei der Kohärenzprüfung insbesondere klären, ob für das laufende und das folgende Geschäftsjahr die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des
Emittenten, die Geschäftsaussichten sowie ihre Auswirkungen auf die Fähigkeit des
Emittenten, seinen Verpflichtungen zur Zinszahlung und Rückzahlung für die Vermögensanlage nachzukommen, im Verkaufsprospekt widerspruchsfrei dargestellt werden, vgl. § 8 Abs. 1 S. 3 VermAnlG-E. Obwohl die inhaltliche Richtigkeit der Angaben in den Verkaufsprospekten von der BaFin grundsätzlich nicht geprüft wird, dürfte damit der erweiterte Prüfungsauftrag durchaus wichtig werden für die vor den Gerichten gerne diskutierte Frage der Plausibilität einer Vermögensanlage. Denn der regelmäßige Vortrag der Anlegeranwälte in diesem Punkt geht über bloße (angebliche) Widersprüche selten hinaus.
Der neue § 8a VermAnlG-E sieht sodann vor, dass ein Verkaufsprospekt nach seiner Billigung zwölf Monate lang für öffentliche Angebote gültig ist, sofern er um die erforderlichen Nachträge ergänzt wird. Neue nachtragspflichtige Umstände sind gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 VermAnlG-E insbesondere jeder neu offengelegte Jahressabschluss und Lagebericht des Emittenten, jeder neu veröffentlichte Konzernabschluss des Emittenten sowie jeder Umstand, der sich auf die Geschäftsaussichten des Emittenten mindestens für das laufende Geschäftsjahr erheblich auswirkt und geeignet ist, die Fähigkeiten des Emittenten zur Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber dem Anleger erheblich zu beeinträchtigen. Gemäß § 11 Abs. 3 VermAnlG-E hat künftig der Anbieter neben dem von der Bundesanstalt gebilligten Verkaufsprospekt
eine um sämtliche Nachträge ergänzte Fassung des Verkaufsprospekts
zu veröffentlichen, und zwar auf der Internetseite des Anbieters und im Bundesanzeiger (§ 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VermAnlG-E), falls er nicht bei der Zahlstelle bereit gehalten wird.
Auch hier wird sich noch zeigen, ob die relativ kurze Gültigkeitsdauer von Verkaufsprospekten der Weisheit letzter Schluss war und ob Emittenten größerer Volumina nun jährlich neu prospektieren müssen, was weitere je weiteren Aufwand nach sich zieht (z.B. das Gestattungsverfahren an sich, ggf. neue oder angepasste IDW-Gutachten, neue oder angepasste Einbeziehung in den Versicherungsschutz).
- Regulierung von Werbung
Im neu gefassten § 12 VermAnlG-E soll geregt werden, wann künftig die Ankündigung und die Bewerbung von öffentlich angebotenen Vermögensanlagen zulässig sein soll, nämlich nur noch dann, wenn a) dies in Medien erfolgt, deren Schwerpunkt zumindest auch auf der Darstellung von wirtschaftlichen Sachverhalten liegt und sie Zusammenhang mit einer solchen Darstellung steht, b) der Empfänger seine ausdrückliche Zustimmung zur Übersendung er klärt hat oder c), wenn sich die Werbung ausschließlich an Personen oder Unternehmen richten, die jeweils eine Erlaubnis nach dem KWG, dem WpHG, dem § 34f oder § 34h der Gewerbeordnung besitzen. Nach dem Willen des Entwurfs soll zudem die Bewerbung oder Ankündigung auch den Hinweis erhalten: „Der Erwerb einer Vermögensanlage ist mit nicht unerheblichen Risiken verbunden und kann zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen. Grundsätzlich gilt: Je höher die Rendite oder der Ertrag, desto größer das Risiko eines Verlustes.“
In der Begründung des Entwurfs wird hierzu ausgeführt, dass ein Unterlaufen des mit den umfangreichen gesetzlichen Informationspflichten bezweckten Aufklärungseffekts durch breit angelegte Werbemaßnahmen verhindert werden soll. Daneben seien der Anlegerschutz und das Risikobewusstsein umso mehr zu besorgen, als auf dem grauen Kapitalmarkt in der letzten Zeit weitreichende Verluste an der Tagesordnung sind bzw. waren. Werbung müsse künftig also entsprechend kanalisiert werden.
Was Werbung in Medien anbelangt, deren Schwerpunkt zumindest auch auf der Darstellung wirtschaftlicher Sachverhalte liegt, und sie auch im Zusammenhang mit einer solchen Darstellung steht, sei zunächst einmal Voraussetzung für die Zulässigkeit eines bestimmten Werbeträgers, dass das gewählte Publikationsmedium überhaupt die Feststellung eines inhaltlichen Schwerpunkts erlaubt. Unzulässig sollen damit künftig Werbemaßnahmen sein, bei denen aufgrund ihres unspezifischen Verbreitungs- oder Adressatenkreises überhaupt kein inhaltlicher Kontext feststellbar ist (z.B. Plakatwerbung oder Faltprospekten – so genannte Flyer – im öffentlichen Raum). Referentenentwurf S. 34: „Im Übrigen setzt die Zulässigkeit eines Werbeträgers lediglich voraus, dass er zumindest auch der Darstellung wirtschaftlicher Sachverhalte dient. Das wird insbesondere immer dann der Fall sein, wenn die Werbung im Wirtschaftsteil einer Tageszeitung oder eines Nachrichtenmagazins veröffentlicht wird.“ Neben reinen Wirtschaftsmagazinen kämen dafür auch Nachrichtensendungen mit dem Schwerpunkt auf Wirtschaftsnachrichten in Fernsehen und Rundfunk in Betracht. Nicht ausreichend für die erforderliche Darstellung wirtschaftlicher Sachverhalte wäre demgegenüber eine bloße Ergänzung der Werbung durch wirtschaftspolitische Erwägungen oder einfache Wirtschaftsnachrichten in Form von Schlagzeilen.
Da daneben die Werbung nur noch gegenüber jedem Empfänger zulässig sein soll, der seine Zustimmung zur Übersendung beziehungsweise zum Erhalt entsprechenden Werbematerials erklärt hat, sei dann künftig z.B. auch Bannerwerbung beim Besuch von Internetseiten
ohne wirtschaftlichen Schwerpunkt unzulässig.
Hier wird noch genau zu differenzieren sein, was alles „Werbung“ ist. Meiner Ansicht nach muss diese vom Anbieter ausgehen oder beauftragt sein. Nicht unzulässig dürfte künftig jedenfalls die Kritik oder Diskussion von Vermögensanlagen sein, auch wenn sie positiv ausfiele. Vermutlich hat der Gesetzgeber hier z.B. die Prokon-Werbung im Auge, die teilweise in Anschreiben an potenzieller Anleger mündete oder Darstellungen in öffentlichen Verkehrsmitteln.
- Verbraucherschutz als Aufgabe der Aufsicht
Zudem soll im Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz in § 4 eine neuer Abs. 1a eingefügt werden, demzufolge die Bundesanstalt innerhalb ihres gesetzlichen Auftrags explizit auch dem Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen verpflichtet ist.
Die Koalitionsfraktionen hatten sich im Koalitionsvertrag 2013 auf dieses Aufsichtsziel der BaFin bereits verständigt, um hervorzuheben, wie wichtig dieses Anliegen der Bundesregierung ist (finanzieller Verbraucherschutz).
Es handelt sich hier eher um ein politisches Statement, deren konkrete Ableitungen für den Verbraucher sich erst noch zeigen müssen und die allenfalls in einem Auslegungsmaßstab für konkrete Verwaltungsentscheidungen münden. Es wird jedoch nicht so sein, wie z.B. Beispiel im Zusammenhang mit S&K oder INFINUS teilweise rege diskutiert, dass die BaFin deshalb gegenüber dem Verbraucher irgendwie hafte. Insoweit wird im Referentenentwurf denn auch gleich klargestellt: „Die Bundesanstalt ist auch hinsichtlich des kollektiven Verbraucherschutzes entsprechend der Regelung in § 4 Absatz 4 FinDAG ausschließlich im öffentlichen Interesse tätig.“ Und hierzu hatte der BGH bereits entschieden (BGH III ZR 365/03, U. v. 2. Juni 2005), dass aufgrund der Tätigkeit der Anstalt allein im öffentlichen Interesse ein zivilrechtlicher Amtshaftungsanspruch des Anlegers grundsätzlich nicht in Betracht kommt.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit dieser Entwurf noch geändert wird im Gesetzgebungsverfahren. Meine Vermutung ist, dass sich die Änderungen im ganz minimalen Rahmen bewegen, weil das Thema insgesamt recht öffentlichkeitwirksam und insoweit recht „politisch“ ist, so dass eine tiefere konkrete Diskussion nicht oder nur kurz stattfindet.
Zum Referentenentwurf des Kleinanlegerschutzgesetzes DB BEMK 08082014
Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Blazek
Rechtsanwalt
Fachanwalt f. Handels- u. Gesellschaftsrecht
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